sozial-Recht

Landessozialgericht

Zwei-Meter-Bett zu kurz für 1,97 Meter langen Hartz-IV-Bezieher




Doppelstockbetten
epd-bild/Heike Lyding
Jobcenter müssen beim Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen genau hinsehen. So ist weder einem 1,97 Meter großen Jugendlichen ein Zwei-Meter-Bett zuzumuten, noch müssen Schüler der 12. Klasse auf Laptop und Drucker verzichten, wie aus aktuellen sozialgerichtlichen Entscheidungen hervorgeht.

Ein jugendlicher Hartz-IV-Bezieher mit einer Körpergröße von 1,97 Metern muss nicht mit einem Zwei-Meter-Bett vorliebnehmen. In solch einem Fall muss das Jobcenter dem Jugendlichen im Rahmen einer Erstausstattung einen Zuschuss für ein Bett in Überlänge sowie für Matratze und entsprechende Bettwäsche gewähren, entschied das Landessozialgericht Hamburg in einem am 21. August veröffentlichten Urteil. Einen Mehrbedarf können zudem Schüler einer 12. Jahrgangsstufe auch für die Anschaffung eines Notebooks und eines Druckers geltend machen, entschied das Sozialgericht Köln in einem weiteren Urteil vom 11. August.

"Keine vernünftige Schlafstätte"

Im vom LSG Hamburg entschiedenen Verfahren erhielt der 1994 geborene Kläger weitgehend recht. 2012 machte dessen Mutter beim Jobcenter einen Mehrbedarf für ihren Sohn geltend. Dieser sei mittlerweile 1,97 Meter groß, sein zwei Meter langes Bett passe einfach nicht mehr. Sie verlangte einen Zuschuss für ein 2,20 Meter-Bett.

Das Jobcenter lehnte ab. Der Sohn habe bereits ein Bett mitsamt Matratze und Bettzeug. Das gewünschte Bett stelle keine zu übernehmende Erstausstattung dar.

Das LSG urteilte, dass das Bett in Übergröße mitsamt Matratze und Bettzeug als Erstausstattung anzusehen seien und das Jobcenter hierfür einen Zuschuss in Höhe von 424,50 Euro zahlen muss. "Denn ein Bett im Normalmaß von 2 Metern Länge deckt nicht den Bedarf eines Menschen von 1,97 Meter Körpergröße nach einer vernünftigen Schlafstätte ab".

Der Kläger könne ein Bett in Übergröße, die dazugehörige Matratze sowie entsprechendes Bettzeug als Erstausstattung verlangen. Bei einer Erstausstattung komme es entscheidend darauf an, ob der Anspruch bereits durch vorhandene Gegenstände abgedeckt ist. Hier sei das Bett des Klägers zu kurz, "um ein entspanntes und unterstütztes Liegen zu ermöglichen". Es handele sich bei dem gewünschten Bett in Übergröße daher nicht um einen Ersatzbedarf, sondern um eine Erstausstattung.

Gericht: Regelbedarf offenkundig

Einen Zuschuss können nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Köln Schüler der Jahrgangsstufe 12 auch für ein Laptop und einen Drucker beanspruchen. Im Streitfall waren dies 450 Euro.

Der klagende Schüler hatte angegeben, dass die Geräte für seinen Schulbesuch erforderlich seien, etwa für Referate, zur Unterrichtsvorbereitung oder für Präsentationen. Das Sozialgericht entschied, dass weder der Regelbedarf noch das Bildungspaket den erforderlichen Bedarf für ein Laptop und einen PC abdecken. Die Unabdingbarkeit der Ausstattung von Schülern mit Laptop und Drucker seien durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Notwendigkeit des Unterrichts über digitale Medien von zu Hause aus am Unterricht teilhaben zu können, "offenkundig geworden".

Es handele sich hier auch nicht um einen einmaligen, sondern zu übernehmenden laufenden Bedarf. Zwar sei der Kauf einmalig, die Nutzung sei aber "laufend", so dass das Jobcenter einen Mehrbedarf anerkennen müsse.

Prostitutionsverbot in der Pandemie

Das Hessische LSG in Darmstadt sprach mit Beschluss vom 5. August einer seit Jahren in Deutschland tätigen Prostituierten aus Bulgarien zumindest vorläufig Arbeitslosengeld II zu, da diese ihre selbstständige Tätigkeit wegen der Corona-Pandemie nicht ausüben darf. Die nicht vorhandene Meldeadresse und die unterlassene Einzahlung in die Steuer- und Sozialkassen stünden dem Hartz-IV-Anspruch jedenfalls im Eilverfahren nicht entgegen.

Hier habe die Frau sich beim Ordnungsamt als Prostituierte registrieren lassen, ein "Milieu-Polizeibeamter" habe sie auch mehrfach kontrolliert. Daher könne davon ausgegangen werden, dass die Frau seit Jahren eine legale selbstständige Tätigkeit als Prostituierte nachging und sie sich als EU-Bürgerin nicht allein zur Arbeitsuche im Bundesgebiet aufgehalten habe. Letzteres würde einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausschließen.

Az.: L 4 AS 328/19 (LSG Hamburg)

Az.: S 15 AS 456/19 (Sozialgericht Köln)

Az.: L 6 AS 362/20 B ER (LSG Darmstadt)

Frank Leth