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Kinderschutzambulanzen meist schlecht finanziert




Ultraschallgerät in einer Kinderschutzambulanz
epd-bild/Peter Endig
Ungeachtet immer neuer Missbrauchsskandale sind Kinderschutzambulanzen meist unterfinanziert. Die Anlaufstellen für die Abklärung und Aufdeckung von Missbrauchsfällen sind in der Regel auf Spenden angewiesen.

Das kleine Mädchen will seinen Vater nicht mehr besuchen. Die Kleine sage, der getrennt lebende Vater tue ihr weh, berichtet die Mutter. Wird die Vierjährige vom Vater misshandelt? Es ist ein Fall, wie ihn die Therapeuten der Kinderschutzambulanz der Evangelischen Jugendhilfe Iserlohn-Hagen immer wieder erleben.

Manchmal bitten Mütter oder Väter die Therapeuten um Aufklärung. Häufig schickt aber auch das Jugendamt Familien zur Kinderschutzambulanz. Wie etwa die beiden vier- und elfjährigen Geschwister, die aufgefallen waren, weil sie von den Eltern offensichtlich vernachlässigt wurden. "Es hat sich sehr schnell herausgestellt, dass der Fall in eine ganz andere Richtung geht", sagt der Leiter der Kinderschutzambulanz, Reiner Rohrhirsch. "Es offenbarte sich massiver sexueller Missbrauch und Kinderpornografie."

"Kinderschutzambulanzen sind wichtige Anlaufstellen für die Abklärung von Kindesmisshandlungen", sagt der Geschäftsführer des Deutschen Kindervereins, Rainer Rettinger. Die Einrichtungen hätten eine besondere Expertise in Sachen Missbrauch, die etwa Kinderärzten in der Regel fehle. "Es ist deshalb unfassbar, dass Kinderschutzambulanzen nicht durchfinanziert sind. Da muss dringend etwas getan werden", fordert Rettinger. Auch der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, kritisiert: "Es gibt zu wenige Kinderschutzambulanzen, und sie sind zu schlecht finanziert." Vor allem der ländliche Raum sei unterversorgt.

Einrichtungen fehlt oft volle Finanzierung

Kinderschutzambulanzen sind an Krankenhäusern oder bei Trägern der Jugendhilfe angesiedelt. Meist werden sie nicht voll finanziert. Sie erhalten zum Teil lediglich Zuschüsse von Kommunen oder Ländern. Zudem bekommen sie Pauschalen für Fälle, die sie im Auftrag der Jugendämter im Rahmen einer Diagnostik abklären. Doch oft reichen diese Einnahmen nicht aus.

"Unsere aktuellen Pauschalen sind nicht kostendeckend", sagt etwa Gabriele Komesker, Ärztliche Leiterin der Kinderschutzambulanz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. Ihre Einrichtung sei deshalb - wie viele andere auch - dauerhaft auf Spenden von Firmen und privaten Geldgebern angewiesen. Das liege auch daran, dass ein guter Teil der Arbeit ihrer Kinderschutzambulanz überhaupt nicht bezahlt werde, erklärt Komesker. Zum Beispiel, wenn aufmerksame Menschen aus dem Umfeld eines Kindes wie etwa Nachbarn oder Erzieherinnen dort anfragen, weil sie sich sorgen.

Nachfrage wird steigen

Der Beratungsbedarf werde aber weiter steigen, erwartet Hilgers. Die Berichte über Missbrauchs-Skandale führten dazu, dass Menschen genauer hinschauen und sich vermehrt an Beratungsstellen wendeten. "Aber dort treffen sie dann auf völlig überlastete Strukturen." Tatsächlich nimmt laut Komesker in der Düsseldorfer Kinderschutzambulanz in jüngster Zeit die Zahl der Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch zu. Auch ihr Hagener Kollege Rohrhirsch beobachtet, dass inzwischen Erzieherinnen, Lehrer, Kinderärzte und auch Nachbarn aufmerksamer seien und Gewalt an Kindern schneller gemeldet werde. Im vergangenen Jahr kletterte die Zahl der erfassten Fälle von Kindesmissbrauch laut Bundeskriminalamt um elf Prozent auf 13.670.

Der Anstieg der Fallzahlen sei auch der Tatsache zu verdanken, dass die Polizei sich stärker um das Thema kümmere und erfolgreicher ermittele, sagt Hilgers. Zugleich hätten aber Pädophile durch das Internet neue Möglichkeiten bekommen, beobachtet Rohrhirsch. Angesichts dieser Situation gebe es in Deutschland zu wenige Kinderschutzambulanzen. "Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass dann Fälle wie in Münster oder Lügde manchmal lange übersehen werden."

Die Arbeit der Kinderschutzambulanzen sei zeitintensiv und koste eben Geld, sagt Hilgers. Die Mitarbeiter der Kinderschutzambulanzen nähmen sich Zeit, sich Stück für Stück auf die Suche nach den Erlebnissen des Kindes zu machen, sagt Komesker. Wichtig sei eine Präventionsstrategie mit einem guten Beratungssystem, um Missbrauch möglichst früh aufzudecken. "Wenn wir früh mit der Therapie beginnen können, ist die Chance am größten, dass die betroffenen Kinder später ein selbstbestimmtes Leben führen können", sagt Hilgers.

Komesker kann das bestätigen. Immer wieder gebe es auch ermutigende Beispiele von Kindern, denen nach der Diagnostik in der Kinderschutzambulanz rechtzeitig geholfen werden konnte. "Bei uns melden sich hin und wieder einmal Erwachsene, die als Kind bei uns waren und nun berichten, dass sie sich ein eigenes Leben aufgebaut haben und Familien haben."

Claudia Rometsch


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