sozial-Politik

Corona-Krise

Kabinett beschließt Regeln zum Infektionsschutz am Arbeitsplatz




Frau mit Mundschutz am Arbeitsplatz
epd-bild/Steffen Schellhorn
Einen Tag nach den Bund-Länder-Beschlüssen zu einer schrittweisen Lockerung der Corona-Einschränkungen hat das Bundeskabinett am 16. April im Umlaufverfahren bundeseinheitliche Empfehlungen zum Infektionsschutz im Arbeitsleben beschlossen. Der "Arbeitsschutzstandard Covid 19" soll Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge die bereits geltenden Arbeitsschutzstandards ergänzen.

Minister Heil sagte in Berlin, Arbeitsschutz sei Gesundheitsschutz. Beim Wiederanfahren des Wirtschaftslebens sei größte Vorsicht geboten, damit die Infektionszahlen sich nicht erhöhten. Wer in diesen Zeiten arbeite, brauche besonderen Schutz. Wo immer es möglich sei, sollten Berufstätige weiter von zu Hause aus arbeiten. Beschäftigte mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko sollten sich an ihre Arbeitgeber oder Betriebsärzte wenden, um individuelle Schutzmaßnahmen zu vereinbaren.

Im Einzelnen sieht ein Zehn-Punkte-Beschluss zu dem neuen Arbeitsschutzstandard vor, dass auch bei der Arbeit überall der Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden soll. Wo dies nicht möglich ist, etwa an der Supermarktkasse, soll es alternativen Schutz geben wie Trennwände. Wo auch diese Trennung nicht möglich ist, etwa in Fahrzeugen, sollen die Beschäftigten Alltagsmasken tragen. Medizinische Masken sollen dem Personal in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen vorbehalten bleiben.

Unternehmen sind in der Pflicht

Die Abläufe in Unternehmen sollen so organisiert werden, dass die Beschäftigten möglichst wenig Kontakt haben. Das gilt für Schichtpläne oder etwa Pausenregelungen. Arbeitnehmer sollen wegen der hohen Ansteckungsgefahr im Falle einer möglichen Covid-19-Infektion "niemals krank zur Arbeit" kommen, sagte Heil. Den Arbeitgebern wird auferlegt, für genügend Waschgelegenheiten, Desinfektionsmittel und eine regelmäßige Reinigung von Arbeitsstätten und Firmenfahrzeugen zu sorgen.

Arbeitgeber und Gewerkschaften beziehungsweise die Betriebsräte sollen bei der Verankerung der Regeln in den Unternehmen zusammenarbeiten. Kleinere Betriebe können sich bei den Unfallversicherungsträgern beraten lassen, wie sie die Regeln am besten umsetzen.

Zuvor hatte Bundeskanzlerin Merkel (CDU) gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder die Einschränkungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie größtenteils bis zum 3. Mai verlängert. Das bisher Erreichte sei "ein Zwischenerfolg - nicht mehr und nicht weniger", sagte Merkel nach den Beratungen in Berlin und ergänzte: "Es ist ein zerbrechlicher Zwischenerfolg." Deswegen dürfe es kein "falsches Vorpreschen" geben.

Vor allem sollen die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie das Gebot zum Halten des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen im öffentlichen Raum weiter gelten. Zudem empfehlen Bund und Länder das Tragen einfacher Schutzmasken insbesondere im öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen. Dies sei "geboten", weil es andere schütze und bei einer großen Zahl dann auch sich selbst, sagte Merkel. Es gibt aber keine Pflicht zum Tragen einer Maske.

Großveranstaltungen werden dem Beschluss zufolge bis zum 31. August verboten. Auch Schulen und Kitas bleiben weiter geschlossen. Es soll aber Vorbereitungen geben, um den Schulbetrieb ab dem 4. Mai zunächst für Abschlussklassen, Prüfungen und Schüler vor einem Schulwechsel wieder aufzunehmen. Dies benötige intensive Vorbereitung, sagte Merkel.

Pflegeheimbewohner besonders schützen

Bewohner von Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen sollten besonders geschützt, aber nicht sozial isoliert werden. Wie das aussehen soll und wer diese Regelungen kontrollieren wird, ist bislang offen. Die Variante, dass die Jungen alle Freiheiten bekämen und Ältere ins Abseits gestellt würden, sei ethisch nicht vertretbar, sagte Merkel zu diesem Bereich der speziellen Vorsorge.

Die Kanzlerin betonte, die Bürger müssten verstehen, dass die Gesellschaft solange mit dem Virus leben müsse, wie es keine Medikamente und insbesondere keinen Impfstoff dagegen gebe. Sie bedankte sich, dass die Bürger "ihr Leben verändert haben", weil sie ihren Mitmenschen helfen wollten. Merkel sagte, auch die Kirchen hätten über Ostern Fantasie bewiesen, andere Wege zu ermöglichen, um den Glauben zu leben.

Auch die Verbote für Zusammenkünfte in Kirchen, Synagogen und Moscheen sollen dem Bund-Länder-Beschluss zunächst bestehen bleiben. Am 17. April will das Bundesinnenministerium mit Religionsvertretern über die Einschränkungen im religiösen Leben sprechen. Merkel betonte, dass Bund und Länder das Gespräch mit den Kirchen suchten und wüssten, "dass wir gemeinsame Lösungen finden müssen".

Reisen bleibt untersagt

Unverändert bleiben die Regelungen für Tourismus und Reisen: Bürger sollen weiterhin auf Ausflüge und Familienbesuche verzichten, die weltweite Reisewarnung wird aufrechterhalten. Hotels und Pensionen dürfen ihre Zimmer nur für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung stellen. Und wer aus dem Ausland einreist, muss eine zweiwöchige Quarantäne einhalten.

Die Grenzkontrollen zu den fünf Nachbarstaaten Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark sowie für die Luftgrenze zu Italien und Spanien wurden bereits am Dienstag um 20 Tage bis zum 4. Mai verlängert. Die Kontrollen waren vor einem Monat eingeführt worden. Seither dürfen nur noch Personen mit triftigem Grund diese Grenzen überqueren, etwa Berufspendler. Nicht betroffen sind die Übergänge nach Belgien und in die Niederlande.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie rechnet nicht mit einer raschen Lockerung der Beschränkungen in Alten- und Pflegeheimen wegen der Corona-Pandemie. Er fürchte, dass die Heime noch bis Anfang Mai geschlossen bleiben müssten, sagte Lilie am 16. April. Um wieder Besuche möglich zu machen, müssten die Einrichtungen zunächst dringend mit ausreichend Schutzausrüstung ausgestattet werden.

"Die Einrichtungen müssen endlich Schutzmasken, Schutzkleidung, Handschuhe und Desinfektionsmittel in der Zahl zur Verfügung haben, wie wir sie dringendst brauchen", betonte Lilie. Sobald die Schutzausrüstung zur Verfügung stehe, sei eine schrittweise Lockerung denkbar, etwa in Form "Wir brauchen jetzt Augenmaß und die richtige Reihenfolge und müssen dann auch überlegen, wie wir stationäre Einrichtungen wieder zugänglich machen", erklärte der Diakonie-Präsident.

GEW fordert Plan für Schulöffnung

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte mit Blick auf die verschobene Schulöffnung, jetzt sei die Kultusministerkonferenz (KMK) gefordert, schnell Konzepte für eine stufenweise Öffnung der Schulen ab dem 4. Mai zu entwickeln. GEW-Vorsitzende Marlis Tepe: "Bei allen Maßnahmen müssen der größtmögliche Infektionsschutz und die bestmögliche Hygiene für alle Beschäftigten und die Lernenden die Messlatte sein. Dafür brauchen wir ein abgestimmtes, gemeinsames Handeln der Bundesländer."

Tepe schlug einen Maßnahmenkatalog vor, in dem das Thema Hygiene eine zentrale Rolle spielt: "Träger und Behörden müssen die hygienischen Verhältnisse an den Einrichtungen nachhaltig verbessern und für einen effektiven Infektionsschutz sorgen. Das darf nicht am Geld scheitern."

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) begrüßte am 16. April die Beschlüsse von Bund und Ländern, die geltenden coronabedingten Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens in verantwortlichen Schritten zu lockern. Sie überzeugten, "jetzt kommt es auf die Praxis an und darauf, dass alle mitmachen“, so der Vorsitzende Franz Müntefering.

Es sei wichtig, dass die Politik die Notwendigkeit des Schutzes von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen betont habe. "Genauso wichtig ist aber auch, schnell Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, um eine vollständige soziale Isolation dieser Menschen zu verhindern", sagte Müntefering. Die BAGSO mahne zur Eile, denn erzwungene Einsamkeit bedeute für Menschen in Heimen nicht nur eine Einschränkung von Lebensqualität, sondern auch eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte die Beschlüsse, mahnte aber einen verbindlichen Fahrplan für weitere Lockerungen an. "Im Vordergrund muss das Ziel stehen, das begrenzte persönliche Kontakte bei Einhalten von Hygiene- und Abstandsregeln weiterhin gesichert sind und gleichzeitig diejenigen wirtschaftlichen Aktivitäten schrittweise wieder aufgenommen werden, die dem nicht entgegenstehen", sagte BDA-Chef Ingo Kramer. Die erste Öffnung von Ladengeschäften allgemeiner Art bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche und des Buchhandels, des Kfz- sowie des Fahrradhandels seien sind wichtige Schritte. Man brauche aber einen verlässlichen Fahrplan, um den wirtschaftlichen Motor wieder ans Laufen zu bekommen.

Bettina Markmeyer, Mey Dudin