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Staatliche Subventionen für Minijobs in der Kritik




In Friseursalons sind häufig Minijobber angestellt.
epd-bild/Jürgen Blume
Minijobs können verführerisch sein: Bei einem Monatslohn von 450 Euro zahlen die Beschäftigten weder Steuern noch Sozialabgaben. Brutto ist gleich netto. Doch es lauern auch Gefahren, weshalb nun Experten und Politiker das Aus für Minijobs fordern.

Arbeitsmarktforscher plädieren für die Abschaffung der Minijobs. Zumindest als Nebentätigkeit sollte die staatliche Subventionierung der geringfügigen Beschäftigung nicht länger erlaubt sein. Die Wissenschaftler unterstützen damit einen aktuellen Vorstoß der Grünen, die die Umwandlung der Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen verlangen.

Mit einem Minijob darf ein Arbeitnehmer höchstens 450 Euro im Monat verdienen. Für Beschäftigte ist das Einkommen steuerfrei, sie müssen auch nicht in die Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen; von der Rentenversicherungspflicht können sie sich befreien lassen. Arbeitgeber führen pauschal Beiträge zur Sozialversicherung ab. Im Ergebnis sind Minijobber für Unternehmen bei gleichem Bruttolohn billiger als Beschäftigte in regulären Jobs.

Arbeit für gering Qualifizierte

Nach jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg gibt es in Deutschland rund 7,6 Millionen Minijobber. Etwa drei Millionen Menschen üben danach einen Minijob als Nebentätigkeit neben ihrem Hauptberuf aus, ihre Zahl steigt. Einer geringfügigen Beschäftigung gehen nach Erhebungen des IAB, dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, vor allem Schüler und Studenten, Menschen im Hartz-IV-Bezug, Rentner und verheiratete Frauen nach.

Nach Ansicht von Enzo Weber vom IAB spricht für Minijobs zunächst, dass sie Menschen mit einer geringen beruflichen Qualifikation den Einstieg in den Arbeitsmarkt oder auch die Rückkehr dorthin erleichtern. Arbeitnehmer lassen sich davon locken, dass für sie die Steuer- und Abgabenpflicht entfällt. Minijobs wird außerdem nachgesagt, insbesondere in Privathaushalten Schwarzarbeit zu vermeiden.

Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW, Köln) sieht "die gesonderte Behandlung der Sozialversicherungsbeiträge für Minijobs in ihrem Charakter einer Bagatellbeschäftigung begründet". Es sei "angemessen", den mit Sozialbeiträgen verbundenen bürokratischen Aufwand bei solchen zu begrenzen. Dieses Argument lässt Weber nicht gelten. Er sagt: "Die Unternehmen müssen sowohl Minijobs als auch reguläre Jobs der Sozialversicherung melden. Ich sehe hier keinen Unterschied", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Ungesetzliche Praktiken"

Bei den Arbeitnehmerrechten gibt es - zumindest auf dem Papier - keinen Unterschied: Bei regulärer wie geringfügiger Beschäftigung gilt der gesetzliche Kündigungsschutz. Auch bei der Lohnfortzahlung und beim Urlaub gilt bei beiden dasselbe, wie Weber erläutert. Das IAB traf bei seinen Forschungen jedoch auf Unternehmen, die den Lohn im Krankheitsfall nicht gezahlt haben, sondern die ausgefallene Arbeitsleistung an einem anderen Tag nachholen ließen. "Hier stießen wir auf ungesetzliche Praktiken", sagte Weber.

Nach Erkenntnissen von Claudia Weinkopf, Arbeitsmarktforscherin an der Universität Duisburg-Essen, erhalten die Beschäftigten in Minijobs oft weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,35 Euro. "Viele geringfügig Beschäftigte trauen sich nicht, ihre rechtlichen Ansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber einzufordern", erklärte Weinkopf.

Der Staat verzichtet bei Minijobs auf Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben. Dazu ist er bei einer schlechten Beschäftigungssituation bereit. Angesichts der aktuellen Lage und der absehbaren Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sieht der IAB-Forscher allerdings keinen Grund mehr, "irgendwelche Jobs zu produzieren". Er verweist darauf, dass "wir in Deutschland keine Massenarbeitslosigkeit haben. Die registrierte Arbeitslosigkeit ist seit 2005 von rund fünf Millionen Erwerbslosen auf 2,5 Millionen gesunken. Die Babyboomer gehen bald in Rente, dadurch wird sich das Angebot an Arbeitskräften weiter verknappen." Arbeitsmarktpolitik und Unternehmen müssten angesichts dieser Vorzeichen das Ziele verfolgen, "in die Qualifikation und die Produktivität des Personals zu investieren".

"Flexibilität muss nicht subventioniert werden"

Bei Unternehmen sind Minijobber auch deshalb beliebt, weil sie bei den Arbeitszeiten flexibel sind. Gaststätten und Hotels etwa können die Bedienungen als geringfügig Beschäftigte so einteilen, wie es der Besuch der Gäste verlangt. Bei arbeitsintensiven Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Kommunionsfeiern können die Arbeitskräfte auch außerhalb der üblichen Zeiten abgerufen werden. Weber sagt jedoch: "Das geht bei regulären Beschäftigungsverhältnissen auch. Flexibilität muss nicht durch Verzicht auf Steuern und Abgaben staatlich subventioniert werden."

Insbesondere die Subventionierung von jenen Minijobs, die als Nebentätigkeit ergänzend zum Hauptberuf ausgeübt werden, ist nach Ansicht der Arbeitsmarktexperten nicht länger tragbar. "Aus meiner Sicht gibt es überhaupt keine Rechtfertigung dafür, dass Beschäftigte mit einem Hauptjob im Umfang von z.B. 20 Stunden pro Woche und einem Nebenjob von 10 Stunden pro Woche weniger Steuern und Sozialgaben zahlen müssen als Beschäftigte, die ebenfalls 30 Stunden pro Woche arbeiten, aber bei nur einem Arbeitgeber", argumentiert Weinkopf.

Vollkommen absurd findet es Weber, wenn der Staat Ehepaaren mit einem insgesamt auskömmlichen oder sogar hohen Einkommen die "extreme Begünstigung von Nebenjobs" gewährt. Hier sei der Minijob für die verheiratete Frau sogar "richtig schädlich", sagt er. Oft genug verlören gut ausgebildete Frauen auf diese Weise ihre berufliche Qualifikation und tappten, wenn die Ehe nicht hält, im Alter in die Armutsfalle.

Umwandlung in reguläre Beschäftigung

Auch wenn Minijobber für Arbeitgeber bei gleichem Bruttolohn preisgünstiger sind als regulär Beschäftigte, erwartet Weber nach einer Abschaffung der Minijobs nicht, dass die Zahl der angebotenen Stellen "wesentlich zurückgehen wird". Die für Stellenbewerber insgesamt gute Lage auf dem Arbeitsmarkt spreche dagegen.

Dabei stimmt ihn eine Erfahrung aus der Vergangenheit optimistisch, sagte er: "Mit der Einführung des Mindestlohns im Januar 2015 - und damit einer tendenziellen Verteuerung von geringfügigen Beschäftigungen - ist die Zahl der damals rund 7,5 Millionen Minijobs in Deutschland nur um 125.000 zurückgegangen." Und: Der Rückgang sei teilweise durch eine verstärkte Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeglichen worden.

Harald Schäfer vom arbeitgebernahen IW hält hingegen nicht viel von einer Umwandlung der Minijobs in reguläre Beschäftigung. Er sagt: "Die Gefahr der Altersarmut würde nicht wesentlich geringer, wenn man Minijobs der Sozialversicherungspflicht unterwerfen würde. Das Problem besteht nicht in den Minijob-Regeln, sondern in einem zu geringen Umfang der Erwerbstätigkeit."

Markus Jantzer


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