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Fundraising

Vom geschundenen Kind zum unermüdlichen Helfer




Der Schotte John McGurk läuft im Kilt gegen Kinderarmut. Mitt dabei ist der ehemalige Schalke-Profi Olaf Thon (3. von li.).
epd-bild/McGurk
Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen: Der Benefizläufer John McGurk hat über den Kampf um sein Leben und für eine bessere Welt ein Buch geschrieben.

Von den überforderten Eltern vernachlässigt und verstoßen, vom Heimleiter verprügelt, von Ärzten vollgepumpt mit Antidepressiva. "Manchmal war ich mir selbst nicht sicher, ob ich das alles wirklich erlebt habe", sagt John McGurk. Seit fast 30 Jahren läuft der gebürtige Schotte und Wahl-Osnabrücker, um Geld für Kinder zu sammeln, deren Start ins Leben ähnlich schwer war wie seiner. Das Markenzeichen des 58-Jährigen ist der Kilt, der kariert gemusterte Schottenrock. Mit ihm hat er viele tausend Kilometer zurückgelegt und mehr als 1,5 Millionen Euro erlaufen. Vor vier Jahren begann er, seine eigene Geschichte zu recherchieren und Dokumente zu sammeln. Nun erzählt er sie in einem Buch, das in diesen Tagen in die Buchhandlungen kommt: "Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen."

Begegnung mit Gott

Der Titel ist eine Art Lebensmotto für den tiefgläubigen Christen: "Ich hätte wirklich allen Grund gehabt, Gott die Schuld für meine Kindheit in die Schuhe zu schieben", sagt der Extremsportler. Stattdessen fühlt er sich von Gott berufen, sich für Kinder einzusetzen. Entwaffnend offen erzählt McGurk von Träumen, in denen ihm, als er längst erwachsen war, Engel erschienen. Es sei ihm egal, ob es vielleicht auch nur Einbildung gewesen sei: "Für mich war es eine Begegnung mit dem lebendigen Gott", schreibt er im Buch. Und weiter: "Als ich ganz unten war, kam er in mein Leben, um mich zu retten."

Aufgewachsen ist McGurk mit sieben Geschwistern in einem Armenviertel im schottischen Glasgow. "Wir hatten nie genug zu essen, keine Schuhe, keine passende Kleidung, trieben uns schon als Kleinkinder in den Straßen herum." Der Vater war arbeitslos, trank und schlug die Mutter. Eines Tages hielt sie es nicht mehr aus und floh nach Irland. Als der Vater sich aufmachte, sie zu suchen, wurden die Kinder in Heime gesteckt - jedes in ein anderes. John war zehn Jahre alt. "Ich glaube, für solche Momente wurde der Begriff mutterseelenallein erfunden", sagt McGurk erstaunlich gefasst und ergänzt: "Ich kann mich an keinen wirklich glücklichen Moment in meiner Kindheit erinnern."

Misshandlungen im Kinderheim

Das Leid seiner frühen Jahre war jedoch noch nicht zu Ende. Der Heimleiter war egozentrisch und jährzornig. Er schlug vor allem die Jungen, die sich wie John gegen Ungerechtigkeiten auflehnten. "Einmal hat er mich gegen die Wand geworfen und so auf mich eingeprügelt, dass ich in eine Klinik gebracht werden musste." Die Ärzte verschrieben dem Jungen Psychopharmaka, damit er ruhiger wurde. Mit 14 Jahren kam McGurk endlich zurück zu seiner Mutter, die mit ihrem neuen Partner wieder in Glasgow wohnte.

Auch danach hatte der Heranwachsende und später dann der gestandene Mann noch manche Hürde zu überwinden. Anfang der 1980er Jahre kam er als britischer Soldat nach Osnabrück und blieb. Seit einigen Jahren lebt er in Lotte, einer westfälischen Gemeinde direkt an der Stadtgrenze. McGurk litt unter Albträumen und Flashbacks, hatte depressive Phasen und wurde fast zum Alkoholiker. Er fand dennoch eine Anstellung in einer Papierfabrik. 1992 heiratete er "die Liebe meines Lebens" und wurde selbst fürsorglicher Vater zweier Kinder. Für seine Benefiztätigkeit gründete er in Osnabrück einen eigenen Verein.

Der Schotte trainiert auch heute noch fast täglich für seine Benefizläufe, überzeugt mit seinem Verein "Sportler 4 a childrens world" unermüdlich Sponsoren. Mal läuft er 2.000 Kilometer quer durch Deutschland für die Arche-Zentren der Diakonie, mal 500 Kilometer für Straßenkinder in Brasilien. Er rennt für einen Kindergarten im afghanischen Kabul, für an Aids erkrankte Kinder in Südafrika, für terre des hommes und SOS-Kinderdörfer. Dass er für seine Berufung das Laufen wählte, "lag einfach daran, dass es am einfachsten war. Und ich werde es tun, so lange ich lebe."

John McGurk: Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen. SCM Verlagsgruppe, Holzgerlingen 2019

Martina Schwager