sozial-Politik

Ruhestand

Rentner können gewohnten Lebensstandard nicht halten




Ein Rentner arbeitet an einer Drehbank.
epd-bild/Norbert Neetz
Der Gang in den Ruhestand ist von gemischten Gefühlen begleitet. Einerseits die Erleichterung: Es ist geschafft. Andererseits die Frage: Kann ich meinen Lebensstandard halten? Ökonomen sagen: Viele Neurentner müssen den Gürtel enger schnallen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat die Bevölkerung mit einer Studie aufgeschreckt. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis: Rund die Hälfte der heute 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen wird als Rentner ihren aktuellen Lebensstandard nicht halten können. Selbst wenn sie zusätzliche private Versicherungen abgeschlossen haben, bleibt eine Versorgungslücke, heißt es in der Analyse des Instituts.

Und dabei haben die Forscher um den DIW-Rentenexperten Markus Grabka noch nicht einmal pessimistische Annahmen über das Ende eines Berufslebens getroffen: Sie gingen bei ihren Berechnungen davon aus, dass die Arbeitnehmer bis zum derzeit durchschnittlichen Rentenzugangsalter von 64 Jahren arbeiten – und ihre letzte berufliche Position beibehalten.

Rentenniveau gesunken

Das Studienergebnis dürfte den Erwartungen der meisten Menschen entsprechen: Im Alter wird das Geld knapp werden – außer für Beamtinnen und Beamte, die gut dotierte Pensionen beziehen. Bekanntermaßen sinkt seit etwa zwei Jahrzehnten das Rentenniveau, das das Verhältnis der Rentenbezüge zu den Löhnen wiedergibt. Regelmäßig werden die Menschen aufgefordert, sich nicht allein auf die gesetzliche Rente zu verlassen, sondern zusätzlich fürs Alter zu sparen. Nicht alle sind dazu bereit oder in der Lage.

Doch wie schmerzhaft fällt der von den Wirtschaftswissenschaftlern festgestellte Verlust des Lebensstandards tatsächlich aus? Müssen Rentner wirklich verzichten oder haben Senioren im Allgemeinen ohnehin geringere Ausgaben als Berufstätige?

Nach Angaben des DIW-Forschers Markus Grabka kann jeder zweite Neurentner seinen bis zum Berufsende gewohnten Konsum nicht aufrecht erhalten. "Die Hälfte von ihnen kann seinen Konsum nicht decken", sagte Grabka dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dafür reicht die Rente nicht. Sie reicht selbst dann nicht, wenn sie sich sowohl aus gesetzlicher Rente, Betriebsrente und privater Altersvorsorge zusammensetzt – was in den seltensten Fällen zutrifft. So kommt nur etwa jeder dritte Beschäftigte in den Genuss einer Betriebsrente. Wer als Neurentner seinen Konsum nicht einschränkt, müsste nach Grabkas Berechnungen pro Monat Schulden in Höhe von 540 bis 740 Euro machen.

Wegekosten zur Arbeit fallen weg

Es gibt drei Wege, das zu vermeiden: Weniger konsumieren, Ersparnisse veräußern oder als Rentner etwas hinzuverdienen. Tatsächlich zeigen Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, dass der private Konsum beim Übergang in den Ruhestand durchschnittlich um 17 Prozent reduziert wird. Das liegt vor allem daran, dass das Pendeln zum Arbeitsplatz entfällt. Allerdings treten mit zunehmendem Alter in der Regel auch steigende Krankheits- und Pflegekosten auf.

Die einzige Bevölkerungsgruppe, die im Ruhestand ihren Lebensstandard zu 100 Prozent halten kann, sind Menschen mit hohem Vermögen. Das gilt allerdings nur für jederzeit veräußerbares Vermögen wie etwa Wertpapiere. Das in einem langen Berufsleben erarbeitete Eigenheim wird wohl kaum jemand zu Konsumzwecken verkaufen wollen, sondern nur im Notfall – etwa wenn auf andere Weise der Aufenthalt in einem Altenheim nicht bezahlt werden kann.

Die Zahl der Menschen, die zur Aufbesserung ihrer Rente arbeiten gehen hat zugenommen: "In den letzten Jahren ist die Erwerbstätigkeit von Älteren deutlich gestiegen", heißt es in einer Studie des Forschungsinstituts der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vom August dieses Jahres. "Der Aufschwung am Arbeitsmarkt kommt auch bei den Älteren an", erklärte Grabka dem epd. Allerdings stellen laut Grabka die allermeisten ihre Erwerbstätigkeit mit dem Erreichen des 70. Lebensjahres ein.

Kein 100-prozentiger Lohnersatz

Ziel staatlicher Rentenpolitik war es nie - auch nicht unter dem CDU-Kanzler Helmut Kohl und seinem Sozialminister Norbert Blüm ("Die Rente ist sicher") -, dass die Rente in 100-prozentiger Höhe den Lohn ersetzt. In den 1980er Jahren wurde von den großen politischen Parteien eine Netto-Rente von 70 bis 90 Prozent des letzten Netto-Arbeitseinkommens als angemessen bewertet, sofern die Rentner lange Erwerbsbiografien in Vollzeitjobs vorweisen konnten.

Davon sind die aktuellen Neurentner allerdings weit entfernt. Grund dafür sind die Rentenreformen zu Beginn des Jahrtausends. Sie wirken noch heute. Seither ist das Nettorentenniveau vor Steuern die zentrale Maßzahl. Dieses lag im Jahr 2017 bei 48,3 Prozent, in den 1980er Jahren lag es noch über 56 Prozent.

"Rentnerinnen und Rentner, die heute in Rente gehen, haben damit einen größeren Bruch zu verkraften als frühere Rentnergenerationen, wenn sie keine weiteren Einkommensquellen haben", erklärt Florian Blank, Rentenexperte der Hans-Böckler-Stiftung. Allerdings betreffe "die politisch gewollte Niveauabsenkung" auch diejenigen, die schon länger in Rente sind: "Für sie hat sich die Lücke Schritt für Schritt immer weiter geöffnet", sagte Blank.

Der Sozialverband VdK fordert, "das Rentenniveau mittelfristig wieder auf 50 Prozent zu erhöhen. Außerdem müssten die Rahmenbedingungen für die betriebliche und private Altersvorsorge verbessert werden. "Sie sind zur Lebensstandardsicherung eine sinnvolle und notwendige Ergänzung", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Markus Jantzer


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