sozial-Recht

Bundessozialgericht

Hartz IV-Vorteile bei Kinderbetreuung im Wechselmodell




Zahlungspflicht für das Jobcenter: Beim Wechselmodell der Kinderbetreuung müssen die Behörden ihre Leistungen erhöhen.
epd-bild/Werner Krüper
Von ihrem Expartner getrennt lebende Arbeitslose können mit der gleich aufgeteilten Betreuung ihrer Kinder mehr Geld vom Jobcenter beanspruchen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Es besteht also ein finanzieller Anreiz, das sogenannte Wechselmodell zu nutzen.

Einige sich ein Hartz-IV-Bezieher mit seiner früheren Lebensgefährtin auf solch ein sogenanntes Wechselmodell, habe er nicht nur Anspruch auf den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende, er könne auch die Unterkunftskosten für die Kinder geltend machen, urteilte am 11. Juli das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Denn bei einer gleich aufgeteilten Betreuung haben die Kinder ihren Lebensmittelpunkt nicht nur bei einem, sondern bei beiden Elternteilen.

Geklagt hatten ein getrennt lebender Hartz-IV-Bezieher aus dem Landkreis Görlitz und seine zwei Söhne. Die Betreuung der Kinder teilten sich die Eltern genau auf. Eine Woche waren sie bei der ebenfalls im Hartz-IV-Bezug befindlichen Mutter, die nächste Woche dann wieder beim Vater.

Das BSG hatte bereits im Juni 2013 entschieden, dass Kinder mit dem Besuch bei ihrem getrennt lebenden Vater oder Mutter dort eine "temporäre Bedarfsgemeinschaft" bilden. Für die Zeit des mindestens zwölfstündigen Aufenthalts müsse das Jobcenter dann entsprechend des Regelbedarfs anteilige Hartz-IV-Leistungen gewähren, so die Richter. Ein Anspruch auf anteilige Übernahme der zusätzlichen Unterkunftskosten bestand damit aber nicht.

Vater zweier Kinder klagte

Im aktuellen Fall verlangte der Vater nun vom Jobcenter auch den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Dessen Höhe orientiert sich am Alter und der Zahl der zu betreuenden Kinder. Der Mehrbedarf wird an denjenigen bezahlt, bei dem sich das Kind "überwiegend" aufhält. Er darf aber 60 Prozent des Regelbedarfs nicht überschreiten und beträgt 2019 etwa für ein unter sieben Jahre altes Kind 152,64 Euro monatlich.

Die Behörde lehnte den Anspruch jedoch ab. Der Vater habe nicht nachgewiesen, dass bei ihm überhaupt ein Mehrbedarf angefallen sei, argumentierte das Amt.

Im Streit war zudem, inwieweit für die Kinder auch anfallende Unterkunftskosten bezahlt werden müssen. Nach den geltenden Bestimmungen übernimmt das Jobcenter diese Kosten nur für jene Hartz-IV-Bezieher, bei denen die Kinder überwiegend wohnen und ihren Lebensmittelpunkt haben. Das hilft beim Wechselmodell nicht weiter, weil die Kinder zu gleichen Teilen bei ihren Eltern wohnen.

Das BSG urteilte nun, dass beim Wechselmodell beide Elternteile im Arbeitslosengeld-II-Bezug den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende beanspruchen können. Denn beide würden auch zu gleichen Teilen Verantwortung für die Kinder übernehmen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Eltern sich bei der Betreuung der Kinder mindestens wöchentlich abwechseln.

Recht auf Unterkunftskosten nach Köpfen

Auch habe der Kläger Anspruch darauf, dass die Unterkunftskosten "nach Köpfen" - und damit unter Einrechnung der Kinder aufgeteilt werden. Denn beim Wechselmodell hätten die Kinder zwei Lebensmittelpunkte, so dass beide die Kosten erstattet bekommen. Als Konsequenz des Urteils könnten Hartz-IV-Bezieher unter Anrechnung der Kinder auch Anspruch auf eine größere angemessene Wohnung haben, wenn sie nach dem Wechselmodell die Kinder betreuen. Entschieden hatte das BSG im jetzigen Fall darüber aber nicht.

Um das Wechselmodell anwenden zu können, ist grundsätzlich auch das Einverständnis des anderen Elternteils und mit zunehmendem Alter auch das Einverständnis des Kindes erforderlich, entschied am 22. Januar 2018 das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Während das BSG zu Hartz IV nun urteilte, dass beim Wechselmodell die Kinder zwei Lebensmittelpunkte haben könnten, ist das etwa im Melderecht anders. Hier hatte das Bundesverwaltungsgericht im September 2015 entschieden, dass minderjährige Kinder von getrennt lebenden Eltern im Wechselmodell nicht gleichzeitig zwei Hauptwohnsitze haben können.

Bei dem paritätischen Wechselmodell sei nicht immer klar, wo ein Kind den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. In diesem Fall müssten die Eltern den Hauptwohnsitz bestimmen. Sei eine Einigung nicht möglich, sei Hauptwohnung die Wohnung desjenigen Elternteils, dessen Wohnung bislang Hauptwohnung des Minderjährigen war, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.

Az.: B 14 AS 23/18 R (BSG Alleinerziehendenmehrbedarf)

Az.: 1 BvR 2616/17 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: 6 C 38.14 (Bundesverwaltungsgericht)

Frank Leth